Liebe ist relativ

Albert Einstein und sein schwieriges Verhältnis zum weiblichen Geschlecht

  • Martin Koch
  • Lesedauer: 6 Min.
»Vielen, vielen Dank Schatzerl für Ihr herziges Brieferl, das mich unendlich beglückt hat. Es ist wunderbar, so ein Papierchen ans Herz drücken zu können, auf das zwei so liebe Äuglein liebend gesehen, auf dem die zierlichen Händchen lieblich herumgerutscht sind. Ich habe jetzt im vollsten Maße einsehen müssen, mein Engelchen, was Heimweh und Sehnsucht bedeuten.« Als Albert Einstein diese Zeilen niederschrieb, war er 17 Jahre alt und unsterblich verliebt. Seine Angebetete hieß Marie Winteler und wohnte in Aarau in der Schweiz. Hier hatte Einstein 1895/ 96 sein Abitur nachgeholt, um in Zürich Mathematik und Physik für das Lehramt studieren zu können. Doch schon kurz nach Beginn seines Studiums trennte er sich wieder von Marie, die darüber zutiefst unglücklich war. Nur seine schmutzige Wäsche durfte sie weiter waschen und frisch gebügelt nach Zürich schicken, wo Einstein sich durchaus ungeniert vergnügte. Im Hörsaal lernte er Mileva Maric kennen, eine aus Südungarn stammende Serbin, die knapp vier Jahre älter war als er und ebenfalls Naturwissenschaften studierte. Endlich hatte der Eigenbrötler Einstein gefunden, was er suchte - eine Frau, die seine geistigen Interessen teilte und seine Ideen verstand. Dass sie überdies ehrfurchtsvoll zu ihm aufblickte, reizte ihn noch mehr. »Albert hat eine prachtvolle Arbeit verfasst«, teilte Mileva 1901 einer Freundin mit. »Ich habe sie mit großer Freude und wahrer Bewunderung für mein kleines Schatzerl gelesen, das so einen gescheiten Kopf hat.« Einsteins Mutter Pauline war indes entsetzt über die neue Beziehung ihres Sohnes. Ihr missfiel besonders, dass Mileva Serbin war und auf Grund einer Kinderkrankheit leicht hinkte. »Du vermöbelst dir deine Zukunft und versperrst dir deinen Lebensweg«, schimpfte sie. Hin- und hergerissen zwischen Mileva und seiner Mutter verbrachte Einstein die Sommerferien bei seiner Familie, schrieb seinem Schatzerl aber glühende Liebesbriefe: »Ohne den Gedanken an Dich möchte ich gar nicht mehr leben in dem traurigen Menschengewühl.« 1901 wurde Mileva schwanger und reiste deshalb zu ihren Eltern nach Novi Sad, wo sie ein Mädchen zur Welt brachte. »Es ist wirklich ein Lieserl geworden«, freute sich der frischgebackene Vater. »Ist es denn auch gesund und schreit schon gehörig? Was hat es denn für Augerl? Wem von uns sieht es mehr ähnlich?« Nach einem Jahr kehrte Mileva in die Schweiz zurück - ohne ihre Tochter. Bis heute weiß niemand, was aus »Lieserl« geworden ist. Vermutlich wurde die Kleine in Serbien zur Adoption freigegeben. Einstein jedenfalls bekam seine Tochter nie zu Gesicht und verlor auch später kein Wort über deren Schicksal. Er lebte bereits in den USA, als sich bei ihm eine junge Frau meldete und vorgab, seine Tochter zu sein. Doch die Nachforschungen, die Einstein durch einen Privatdetektiv anstellen ließ, entlarvten die Frau als Betrügerin. Am 6. Januar 1903 heirateten Einstein und Mileva, wobei der Standesbeamte in Bern beide als »kinderlos« registrierte. Die Hochzeitsreise fiel aus, denn der nachmals berühmte Physiker hatte inzwischen eine Anstellung am Eidgenössischen Patentamt gefunden - als Technischer Experte III. Klasse. Während Mileva nun den gemeinsamen Haushalt führte und die Söhne Hans Albert und Eduard umsorgte, entwickelte Einstein in einer beispiellosen Anstrengung die Relativitätstheorie. Doch neben seiner Wissenschaft liebte der geniale Forscher auch hübsche Frauen. Mileva reagierte mit rasender Eifersucht, machte ihm deswegen Vorwürfe, die Einstein geflissentlich überhörte. Seine Frau sei zwar »nicht bösartig«, erzählte er einem Freund, dafür aber »misstrauisch, wortkarg und depressiv«. Ähnlich wie sein Lieblingsphilosoph Arthur Schopenhauer, der das Weib bekanntlich zum Gehorchen bestimmt hatte, hielt auch Einstein wenig von der Gleichberechtigung der Geschlechter: »Ich denke dabei an gewisse Widerstände in der weiblichen Organisation, die wir als naturgegeben zu betrachten haben und die uns verwehren, denselben Erwartungsmaßstab wie beim Mann anzulegen.« Die Gattin seines Kollegen Max Born bekam sogar zu hören: »Was euch Frauen betrifft, so ist das Produktionszentrum nicht im Hirn.« Und seinem Freund Michele Besso erklärte er: »Verglichen mit diesen Weibern ist jeder von uns ein König, denn er steht halbwegs auf eigenen Füßen, ohne immer auf etwas außer ihm zu warten, um sich daran zu klammern. Jene aber warten immer, bis einer kommt, um nach Gutdünken über sie zu verfügen. Geschieht dies nicht, so klappen sie einfach zusammen.« 1914 war Einsteins Liebe zu Mileva erloschen. Er drängte auf Scheidung, um sich endlich von jener »kulturellen Sklaverei« zu befreien, über deren Ursprung er sich wenig Illusionen machte: »Die Institution Ehe ist bestimmt von einem phantasielosen Schwein erfunden worden.« Das freilich hinderte Einstein nicht, schon kurz nach seiner Scheidung von Mileva erneut Ehepläne zu schmieden. Am 2. Juni 1919 heiratete er seine Cousine Elsa Löwenthal, die mit ihren Töchtern Ilse und Margot in Berlin lebte. Aufopferungsvoll kümmerte sich die etwas füllige Frau um das leibliche Wohl ihres weltberühmten Gatten, der zuvor allerdings mit dem Gedanken gespielt hatte, anstelle der Mutter die attraktive Tochter Ilse zu ehelichen. Diese war davon jedoch wenig begeistert, wie sie in einem Brief gestand: »Ich habe nie den Wunsch oder die geringste Lust verspürt, Albert körperlich nahe zu sein. Anders bei ihm. Er hat mir selbst einmal zugegeben, wie schwer es ihm fällt, sich zu beherrschen.« Von anderen Frauen wurde Einstein umso leidenschaftlicher begehrt. Bei Toni Mendel etwa, einer wohlhabenden Witwe, blieb er häufig über Nacht in deren Villa am Wannsee. In seinem Sommerhaus in Caputh empfing Einstein regelmäßig eine junge Österreicherin. Nach Auskunft seiner Haushälterin sah die Dame sehr gut aus, »war lustig und hat viel und gern gelacht«. Elsa Einstein fuhr an solchen Tagen verärgert zum Einkaufen nach Berlin, derweil im Dorf die wildesten Gerüchte über das Liebesleben ihres Mannes kursierten. Als sie sich deswegen bei ihren Töchtern beschwerte, erhielt sie die lapidare Antwort: »Du musst dich eben damit abfinden oder dich von Albert trennen.« Elsa blieb ihrem Gatten treu, auch als dieser 1933 nach Amerika emigrierte. Drei Jahre später starb sie, von Einstein bis zuletzt rührend umsorgt. »Ich habe nie gedacht, dass er mich so liebt«, sagte sie beim Abschied. »Und das tröstet mich.« Was Elsa nicht wusste: Ein Jahr zuvor hatte Einstein die 41-jährige Russin Margarita Konenkova kennengelernt, die aller Wahrscheinlichkeit nach für den sowjetischen Geheimdienst KGB tätig war. Beide verliebten sich ineinander und tauschten zärtliche Briefe aus, die erst 1998 an die Öffentlichkeit gelangten. Einsteins letzte Geliebte war die tschechische Emigrantin Johanna Fantova, die ihm des öfteren aus Goethes Werken vorlas. Und die ihn tröstete, als er infolge einer schweren Krankheit seinen lebensbejahenden Optimismus verloren hatte. Am 18. April 1955 starb Einstein im Alter von 76 Jahren an den Folgen einer Gefäßerweiterung im Unterleib. Seine Bewunderer nannten ihn den »Kopernikus des 20. Jahrhunderts«. Doch so umwälzend seine physikalischen Ideen auch waren, in seinem Verhältnis zu Frauen blieb Einstein jener bürgerlichen Welt verhaftet, die schonungslos zu kritisieren er ansonsten nicht müde wurde.
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